Die Wandervorstellung The walking Cinema
Vorwort

‚In der Zeit der großen Wirtschaftskrise mussten alle ihr tägliches Brot verdienen. Unser Vorteil war der allumgebende Wald und die Sägemühle. Andere verkauften Milch oder Eier ihrer gut umsorgten Tiere. Wieder andere machten ihr Geschäft mit Nutzwaren.
Dann gab es aber noch die Menschen, die mit ihren Fertigkeiten durch die Orte zogen, um sich mit etwas Glück einen hart erarbeiteten Lebensabend zu gönnen. So kam es, dass eines Nachts jemand in ‚Waltons-Mountain' erschien, und für viel Aufsehen sorgte.'

Kurz -
Inhalt
Ein Stadtmensch verläuft sich nach Waltons Mountain mit einem geheimnisvollen Wagen. Als er bei den Waltons mithelfen will, geht ihm dort Einiges schief.
Inhalt

Trotz der sich dehnenden Hitze im Wald, zuckten die Blitze wie wild über den nächtlichen Himmel. Jeder Schatten wirkte lebendig zu werden und sich zu bewegen.
Zwei Gestalten zogen hastig einen quietschenden, 3 x 2 Meter breiten Wagen hinter sich her, der sich in jeder Unebenheit verkeilte. Als einer der Gestalten ein bockiges "I-ah!" machte, fluchte der Führer des Esels.
Ein Blitz beschien kurz den Mann. Verzweiflung prägte sein Gesicht. ‚Wann kommen wir hier heraus?!' Laut Karte wären sie seit einer Stunde im nächsten Ort, um sich Schutz zu suchen. Doch war es finster geworden. Neben dem unwillig ziehenden Esel hatten sie sich nun auch noch verlaufen.
Ein Grollen drang vom Wolkendach. Dort zischte und brodelte es. Erst fielen einige Tropfen auf das Gesicht des Fremden. Dann begann es schlagartig zu stürmen und zu regnen. Die Walderde fing an moosig zu duften. Rasch sammelte sich Wasser zu Bächen, die die Wege hinabstürzten. Das nächtliche Schwarz verschmolz immer mehr mit sich selbst.
Der Mann sah nichts mehr, zog wie ein Flüchtling seinen bereits hinkenden Esel und den holpernden Wagen weiter, ohne auf das Klappern darin zu achten, was durch eine Plane gedämpft wurde. Er keuchte, dass selbst die herabtropfenden Wasserrinnen von seinem Hut milchig anliefen. Dazu tropfte es nass durch seinen Mantel. Er ignorierte es. ‚Ich muss heraus.'
Eich Krachen drang durch den Wald, als vor ihm ein Baum entwurzelte. Nur wenige Meter vor ihm! Das Geäst knackte, als er am Boden zerbarst. Wieder war ein Weg versperrt.
Der Mann hielt inne und überlegte mit gesenktem Blick. ‚Soll ich mich hinlegen und sterben? Ich stehe eh kurz vorm Ruin.' Er sah zum schnaubenden Esel … und dem Wagen hinter. ‚Diese verdammte Last."
Er wollte bereits das Zaumzeug des Esels entfernen und den Wagen stehen und endlich verrosten lassen. Nie mehr einen Gedanken daran hegen und über den Baum steigen … erblickte er nicht eine Weggabelung links neben sich. Beim genaueren Hinsehen erkannte er auch Lichter! ‚Ein Dorf!', und wollte schon Freudensprünge machen.
Stattdessen drückte er fest die Zügel des Esels in die Faust und stolperte zielstrebig weiter. Das Schlimmste war überstanden - hoffentlich.

Auf einen Stapel warfen wir die Schmutzwäsche hin, um nach und nach in die Badewanne zu steigen. Wir rochen wie durchnässte Hunde. Auch kein Wunder: Denn seit knapp einer Woche herrschte sengende Hitze über Virginia. Die Wasserknappheit untersagte uns, sich jeden Tag zu waschen. Dafür machte das gemeinsame Baden umso mehr Spaß.
Meine Geschwister spritzten sich gegenseitig ins Gesicht, jaulten und freuten sich wie Welpen. Wenn Mama das sah … ‚Oje.' Ich musste wohl oder übel: "Hört auf damit, wenn ihr nicht wollt, dass ich das Wasser ablasse!" Sofort begannen sie an lautstark zu nörgeln.
Plötzlich krachte es draußen in der Finsternis. Es donnerte. Stille breitete sich unter meinen Geschwistern aus. Ein kühler Wind fegte durch das offene Badefenster. Ein Blitz erleuchtete die Nacht. Dann donnerte es erneut. Nieselregen begann gegen die Fensterbank zu spritzen.
Ein Lächeln zog sich über meine Lippen. Aus den Gesichtern meiner Geschwister wich die überschüssige Hitze. Erneut planschten sie wie wild. Da gab ich mich geschlagen.
Hinzu drang ein lautes Poltern von draußen, das mich auffahren ließ. Es war kein Donner!
Plötzlich gab es ein Quietschen und Scharren. Stirnrunzelnd trat ich ans Fenster, doch sah ich nichts im stürmischen Dunkel. Nur den stärker werdenden Regen hörte - und spürte - ich. Rasch schloss ich das Fenster. Wieder polterte draußen etwas.
Beunruhigt rannte ich hinunter ins Wohnzimmer, Richtung Veranda. Mama und Daddy saßen mit meinen Großeltern vor dem Radio, das sie gerade abgeschaltet hatten.
Während ich zur Veranda hinausstürmte, fragte Großvater, der sich den Schweiß von der Stirn tupfte: "Stimmte etwas nicht - John-Boy?"
Wieder spähte ich in die Finsternis vor dem Haus. Doch die Dunkelheit wurde wiederum von rauschend-regnender Dunkelheit und dem Blöken eines scheinbar entfernten Esels verschlungen. Sicherlich war nur etwas vom Sturm umgeworfen wurden.
Ich kehrte meinen Blick, schloss die Tür und betrachtete die vier neugierigen Gesichter. "Draußen regnet es aus Kübeln. Ich dachte nur, ich habe etwas gehört", und zuckte die Schultern.
Daddy lachte auf: "Wurde auch Zeit, dass diese Trockenheit zu Ende geht. Den Schaden sehen wir uns morgen an - John-Boy."
Großvater grinste bloß: "Es könnten aber auch die Wassergeister gewesen sein, die dir einen Streich gespielt haben."
"Du willst dich doch bloß von der Arbeit drücken - Sam." Großmutter puffte ihm kurz in die Rippen.
"Du verärgerst sie nur. Aber als Hexe kannst du sie bestimmt zum nächsten Unglückseeligen vertreiben."
Großmutter schüttelte nur den Kopf. Ich aber grinste. ‚Welch belebter Abend.'

"Livy, komm' schnell!", rief John am nächsten warmen Morgen von draußen.
Den zu deckenden Tisch stehen lassend, sprang Olivia zur Veranda … und erschrak: Vor John lag ein durchnässter, in schwarzem Regenmantel umhüllter ohnmächtiger Mann. Er lag halb auf der Treppe. Neben ihm schnaubte lautlos und kraftlos ein daliegender Esel mit einem anleinten Wagen. Auf den Stufendielen zogen sich Rinnen aus Wasser entlang.
"Ich hole ein paar trockene Klamotten", reagierte Olivia, während John den etwa 50-Jährigen auf die Bank hievte.
Bevor er den Entschluss fassen konnte, den Sheriff von Rockfish zu verständigen, stöhnte der Fremde auf: "Wo … bin ich?" Kaum schlug er die verklebten Lider auf, starrte er John verwirrt an. "Wer sind Sie?"
"Das würde ich gern von Ihnen wissen."
Der Mann rieb sich an den Schläfen. "Karl Casaborn … Ich wurde vom Unwetter überrascht. Da habe ich Lichter gesehen und bin darauf zu. Mehr weiß ich nicht."
"Und das mitten in der Nacht - mit einem armen Esel?", fragte Olivia, die mit weißen Hemden und Hosen wiedergekommen war.
"Wir haben uns im Wald verirrt. Die Karten der Umgebung taugen nicht viel."
"Hmmh", mischte sich Sam ein, der aus dem Haus trat. "Das kann ich bestätigen. Auch wenn diese Gegend wunderschön ist."
"Jetzt wechseln Sie erst einmal Ihre Wäsche. Danach leisten Sie uns beim Frühstück Gesellschaft - Herr Casaborn." So drückte Olivia ihm die Sachen, sowie ein Handtuch in die Hände. "Ich bringe Sie ins Bad. Kommen Sie."
Während sich der Herr etwas wackelig erhob, deutete er seinen Esel und den Wagen. "Können Sie die beiden vorerst irgendwo unterstellen. Mein Freund lahmt in letzter Zeit etwas."
"Ich bringe ihn und den Wagen vorerst in die Scheune. Was transportieren Sie darin?" Dabei fielen John die ganzen Verriegelungen, Spanngurte, wie auch vier Schlösser an den Ecken der Plane auf."
"Erzähle ich Ihnen nachher, Herr …?"
"John Walton. Gehen Sie erst einmal mit meiner Frau, bevor Sie sich den Tod holen."
Olivia ging bereits voraus.

Auf dem Weg zum Frühstück sah ich Mama, die einem ziemlich zerfurchten, erschöpft wirkenden und durchnässten Fremden das Bad wies. Nachdem er darin verschwand, berichtete sie mir von den Umständen; mir ging ein Licht auf.
Keine halbe Stunde später saßen wir alle am Küchentisch. Mary-Ellen und Ben musterten den umgekleideten Fremden neben mir argwöhnisch.
"Da haben uns die Geister also einen Verirrten vors Haus gespült", kicherte Großvater.
"Beleidige unseren Gast nicht", meinte Großmutter.
Nun platzte aber die Neugier aus ‚mir' heraus: "Was treibt Sie denn nach Nord-Virginia - Herr Casaborn?"
"Nennt mich ruhig Karl." Er faltete die Hände auf dem Tisch zusammen. "Ich stamme aus Florida. Seit einigen Jahren reise ich durch die Lande, immer wieder auf der Suche nach Arbeit. Leider ist die zurzeit sehr rar."
"Und was haben Sie vor Ihrer Wanderschaft gemacht?", warf Großmutter ein.
"Vieles mit Technik: Autoschlosser, Maschinenwartung oder Schmied." Plötzlich wurde seine Stimme leicht drückend. "Auch ein Filmtheater habe ich betrieben, doch es rentierte sich nicht, wie die anderen Stellen. So sollte es nicht weitergehen, fand ich."
"Und da begannen Sie Ihre Wanderschaft?", stellte Daddy fest. "Wie kommen Sie über die Runden?"
"Meist frage ich Leute in den Orten, ob sie eine Überdachung für uns haben. Das reicht meist."
Ich fiel wieder ins Wort: "Wohin gehen Sie als nächstes, Karl. Vielleicht nach New York?"
Er zuckte nur mit den Schultern. "In letzter Zeit habe ich keinen richtigen Plan. Aber man weiß ja nie."
Plötzlich erhob sich Mama und rief: "So, Kinder. Ihr müsst in die Schule", und drückte jedem einen Brotbeutel in die Hand.
"Ich würde gern", sagte Karl wie nebenbei, "Ihre Umgebung etwas betrachten. Hat Ihr Ort vielleicht einen Laden mit Löttechnik?"
"Gehen Sie einfach den Kindern nach. Auf dem Weg steht ‚Ikes Gemischtwaren-Laden'. Vielleicht hat er einiges."
Daddy erhob sich, neben dem Schnattern meiner Geschwister. "Wenn Sie Arbeit suchen, kommen Sie uns ganz gelegen. Es ist Mitte Juli und wir haben viel auf dem Hof zutun. Wenn es nicht eilt, können Sie ruhig ein oder zwei Wochen bleiben. Außerdem scheint mir Euer Esel einige Ruhetage zu brauchen."
Karls Augen weiteten sich. Neben einem Lächeln, keuchte er nicht fassend: "Gern, gern. Das würde meinen strapazierten Gliedern auch eine Abwechslung sein. Dankeschön!"
Meine Frau wird heute mehrmals eine Wiese voll Heu wenden. Sie wird Ihnen alles zeigen."
"Gut. Ich gehe jetzt aber trotzdem erst einmal in den Laden. Das Lötzeug brauche ich demnächst, und sicherlich auch später."
"Aber seien Sie bis Mittag wieder hier."
"Keine Sorge."
So marschierten meine Geschwister, Karl und ich nach Waltons Mountain. Trotz des nächtlichen Regens stach uns die Sonne ins Genick, blendete uns und ließ den Marsch eine Ewigkeit erscheinen. Böen aus Sand kitzelten unsere nackten Waden. Bloß: Wann würde sich die trostlos-werdende Natur wieder erholen? Die Blätter der Pflanzen und Bäume hingen zum Teil wie nasses Papier von den Stängeln.

Ike Godsey grüßte gut gestimmt und fröhlich den Fremden: "Einen wunderschönen Guten Tag. Suchen Sie etwas Bestimmtes?"
Nach einem leisen Brummen, dass der Tag nicht gut sei, teilte der Fremde sein Anliegen mit. Ike zog die Stirn kraus, guckte sich um und überlegte. "Nein, das sieht schlecht aus. Aber ich kann Ihnen einen Lötkolben bestellen. Der wäre in einer Woche hier. Auf welchen Namen geht das gute Stück?"
"Casaborn, Karl. Wie viel würde das denn ungefähr kosten, mit dem Zinn und Fett versteht sich."
Ike rechnete und notierte kurz: "Etwa 7 Dollar, plus, minus."
Karl schüttelte sich kurz. "Puh … in Ordnung. Die Arbeit geht vor den Preis. Bestellen Sie die Sachen."
Mit einem "Danke" war Karl bereits auf den Ausgang fixiert, klingelte nicht das Türglöckchen: Zwei ältere, modisch und pompös gekleidete Damen traten herein. Ihre liebevollen Züge ließen Ike herzlich aufspringen: "Wenn das nicht die Baldwins sind. Ich habe schon mit euch gerechnet."
Karl trat nickend an ihnen vorbei, verließ den Laden … und blieb abrupt stehen. Nicht die flirrende Hitze ließ ihn hecheln, sondern etwas anderes.
Einige Minuten stand er da, ging auf und ab. Fiel es ihm doch erst ein, als die Damen mit einem Paket den Laden verließen. Diese Gesichtszüge!
Er trat vor sie. Als er in ihrer beider Augen blickte, verflogen alle Zweifel, als er sich die Erinnerung eines alten Fotos abrief. "Ihr Name ist Baldwin, habe ich da richtig gehört?"
"Allerdings", strahlte Miss Emily entzückt. "Was verschafft uns die Ehre, werter Herr?"
"Erinnere ich mich richtig, dass Ihr Vater im Bürgerkrieg als Offizier gedient hat?"
"Natürlich", meinte Miss Mamie und drückte ihrer Schwester die Hand. "Standen ihre Ahnen in seinem Reglement? Wir sind sehr stolz auf unseren lieben Herrn Papa."
"Kann man wohl sagen." Karl atmete tief ein. "Unter ‚lieb' verstehe ich aber etwas anderes. Er hat nach dem Wissen meines Vaters die Leute schikaniert wie Hunde! In den Boden gebrüllt hat er sie, wenn ihm etwas nicht passte!" Den Schwestern floss plötzlich die Röte aus den Gesichtern. "Einer hat sich das Leben genommen, weil ‚Herr Papa' ihn mit penetranten Strafen belegt hat: ‚Du schläfst heute auf deiner mit Schmutz besudelten Matratze' und andere Scherze."
Mamie ließ das Paket mit einem derben Knall fallen. "Also!"
Karl hob den Finger. "Und keiner hat sich je getraut, etwas zu sagen. Mein Vater wollte ihn verraten, als er ihn beim Schnapstrinken erwischte, aber er knüppelte seine Finger." Schmerzlich fielen ihm wieder die zwei fehlenden Finger seines Vaters ein.
"Schnaps?!", rief Emily gefasst.
"Wie ich auch sehe, habt ihr Reichen euch hochgearbeitet. Alles teuer. Und die Braven, die keinen Job in Aussicht haben, gehen ein. Ich hoffe inständig, dass Ihr Papa die Erde über sich betrachtet. Wenn nicht, richten Sie ihm meine Meinung und die meines toten Vaters aus. Auf Nimmer-Wiedersehen!"
Damit kehrte er den wankenden Damen, die zerbrechlicher nicht wirken konnten, den Rücken. Alls in ihm pulsierte. War es richtig, seinen Frust von uralten Geschehnissen an die beiden Töchter auszulassen? Bestimmt nicht. ‚Es musste sein. Besser noch, solang ein Casaborn auf der Erde weilt.'
Nun freute er sich sogar auf die lästige Wiesenarbeit bei den Waltons. Hinter sich hörte er das Wimmern der Baldwin-Schwestern. ‚Die Realität schmerzt.'

Gestern bereits hatten sie die Anzeichen für das Unwetter richtig gedeutet und das Heu zu aufgehäuften, madenförmigen Hügeln gestapelt. Olivia und Sam haben das angefeuchtete Viehfutter bereits nach dem Frühstück wieder ausgebreitet.
Trotz des noch stark betontem Grün der getrockneten Gräser meinte Sam, mit Andacht auf Olivia und Karl vor sich: "Noch ein paar Tage von dieser Hitze und wir können es einfahren. Chance und Blue werden über den Winter volle Bäuche bekommen."
Karl aber betrachtete leicht ungläubig die etwa 40 Hektar große Wiese, mit drei krummen Rechen am Zaun lehnend. Sam bemerkte seinen Blick. "Keine Sorge, Karl. Am Nachmittag helfe die Kinder mit."
"Wie oft muss das Heu denn an einem Tag gewendet werden?"
"Dreimal. Spätvormittags, nach dem Mittag und am frühen Abend. Gerade ‚jetzt' könnte die oben liegende Schicht verbrennen." Er klatschte in die Hände. "Auf an die Rechen."
Somit packten sie sich ihr Werkzeug. Sam voraus begann am Rand und arbeitete sich längs daran zur vor ihm liegenden Seite. Dabei warf er das Heu von der ganzen zur neuen Heufläche so um, dass ein Gang für Olivia entstand, die es ihm gleichtat. Diese schuf wiederum einen für Karl. Es raschelte himmlisch.
Karl aber schwitzte heftig, setzte an und probierte sein Glück. Als Sam hinten kehrt machte und die nächste Seite wendete, riss er die Augen auf. "Ich glaube, Sie müssen noch einmal neu beginnen, Karl."
Der blickte verdutzt zurück und erkannte die Häufen, die er zum Teil auch über Sams und Olivias flache Flächen geworfen hat.
Olivia kam auf ihn zu. "Glätten Sie es einfach nur etwas", und kniete sich grimmig nieder. "Aber das ist ja nur herübergeworfen, nicht gewendet. So bekommen wir bald einen Heubrand."
Sam schüttelte den Kopf. "Haben Sie schon einmal Heu gewendet, Karl?"
Der sagte leise durch die Zähne. "Nein, Mister Walton." Nun flatterte auch noch sein Herz.
"Olivia; zeige ihm wie es geht. Ich mache schon einmal weiter. Wir sind heute eh zu spät dran." ‚Ist eben ein Stadtmensch. Das kann man verzeihen.'
Während Sam sich durch die dichte Heufläche schabte, deutete Olivia auf ihre Rechenspitzen, die sich auf das trockene Gras legten. "Sehen Sie - man nimmt einen Streifen auf", der nicht die gesamte Zahnlänge belegte, "und wirft ihn behutsam auf die neue Seite." Sie hob den Finger, dann wieder holte sie den Vorgang. "Während die Spitzen in der Luft sind", nicht weit vom Boden entfernt, "dreht man den Rechen um die Hälfte. So liegt die unten-schwitzende Seite nun oben."
‚Tatsache', bemerkte Karl. ‚Man lernt nie aus.'
"Probieren Sie es."
Nach einigen Anläufen und Verbesserungsvorschlägen, nickte Olivia. "Sehr schön machen Sie das."
Während sie sich umdrehte und Weiterwenden wollte, blickte sie nochmals zu Karl. "Schauen Sie immer wieder nach hinten, dass alles ordentlich glatt ist. Sonst schwitzt es unnötig."
Karl schwitzte ebenso, vielleicht auch unnötig. Ständig entstanden Unebenheiten, die er erste leise, dann etwas lauter fluchend glättete. Und er kam nicht voran. Olivia half ihm mehrmals bei der Arbeit.
Dafür - nach wohlgemerkt zweieinhalb Stunden - hatte er den Dreh endlich heraus. Obwohl er leichte, Hüft- und Schulterschmerzen, sowie einen prickelnden Sonnenbrand hatte, lächelte er dann neben Sam und Olivia (die am Zaun lehnten) über das vollbrachte Werk.
Als dann die Kinder von der Schule gekommen waren, begann die Wende von vorn. Karl hatte sich zuvor noch etwas mit frischer Milch gestärkt. Olivia kümmerte sich derweil wieder um die Hausarbeit und Sam erholte sich auf der Veranda. Jetzt übernahm John-Boy die Führung. Ben, Jason und Jim-Bob waren - wie Erin - auch an den Rechen. Die beiden übrigen Mädchen halfen ihrer Mutter solang.
Innerhalb einer Stunde waren sie diesmal fertig. Karl sah erstaunt, dass sich seine Heustreifen kaum von denen der Waltonkinder unterschieden.
So konnte er sich abends erleichtert vom Abendbrottisch bedienen und anschließend in der Scheune sein Lager aufbauen. Das Vorderbein seines Esels jedoch war dick bandagiert, John meinte, dass er sich erst in einigen Monaten wieder erholt hat. Dabei bemerkte er seinen Wagen an der Seite. Sein Blick wurde plötzlich wieder demütig.

Auch am nächsten Tag ging es munter mit der Heuwende weiter. So konnten die Erwachsenen (außer Großmutter), John-Boy, Jason, Ben und Karl abends den Pferdewagen bespannen. Neben ein paar verdutzten Missgeschicken und Begriffsstutzigkeiten von Karl, wurde das Heu meterhoch zur Scheune galoppiert und ausgebreitet.
Zum Abendbrot unterhielten sich alle angeregt, obgleich der stacheligen Heuarbeit.
Urplötzlich jaulte Karl auf. Alle erschraken, während er sich auf dem Stuhl nach vorn und zur Seite krümmte; die Hände auf den Bauch gepresst.
"Himmelgott, was ist mit Ihnen?!", rief Olivia, während sie aufsprang.
"Geht schon", winkte Karl ab. "Ich hatte nur ein Zerren in der Lende."
"Hatten Sie früher auch solche Anfälle?", wandte Großmutter ein.
"Vor fünf Jahren", sagte Karl, "hatte ich einen Leistenbruch. Überhoben, war die Diagnose. Aber seither merke ich nichts mehr. Eigenartig."
Da betrachtete ihn John etwas nachdenklich. "Sie haben sich heute auch manchmal etwas verdreht. Aber mit der Zeit gewöhnen sich Ihre Muskeln daran."
Nicht verstehend, nickte Karl bloß. ‚Das war Überanstrengung. Nächstes Mal halte ich mich mehr im Hintergrund.' Ein Anfall reichte. Warum drängte ihn sein Gefühl nur nach mehr. ‚Quatsch.'

Der nächste Morgen begann wieder in brütender Hitze. Obwohl Karl sich dadurch im Heubett unwohl fühlte, drängte ihn keine Lust, aufzustehen. Bis ihn ein Klappern von unten aufschrecken ließ. ‚Nur die Kuh.' Bevor er sich wieder hinlegen wollte, blinzelte er dennoch vom Heuboden hinab.
"He, ihr", rief er hechelnd zu Jim-Bob und Elizabeth, die an den Schnallen seines Wagens zogen.
Die beiden schraken zusammen, während Karl tollpatschig die Leiter hinunter sprang. Sie wirkten wie erstarrt. "Es tut uns Leid, Karl", brabbelte Elizabeth, mit den trotzigen Augen eines Esels. Doch Karl, der hinunter gestiegen war, packte je ein Ohr der beiden und zog. "Für euch immer noch Herr Casaborn, ihr Gören! Jetzt verschwindet", und ließ sie los, während sie schrien. Rasch flüchteten sie, was ihre kleinen Beine hergaben.

Auf dem Weg zur Scheune rannten mir schreiend Jim-Bob und Elizabeth entgegen. "Tut uns Leid", und "Gemeiner Mann" riefen sie im Chor.
Ohne mich zu beachten, rannten sie an mir vorbei und riefen auch noch "Daddy", während sie ins Haus flüchteten. Beunruhigt betrat ich die Scheune. Karl - noch immer im Nachtanzug - kontrollierte leise fluchend seinen Wagen.
"Was war denn hier los?"
Karl bohrte seinen Blick fest in meinen und erhob sich. "Deine beiden Geschwister haben daran herumgespielt. Ich musste sie verscheuchen."
"Ist Ihnen gut gelungen. Sie haben ihnen einen bösen Schreck eingejagt."
"Oder umgedreht."
Ich sänftigte meine Miene wieder und blickte hinab. "Was verstecken Sie darin, Karl. Immer, wenn wir Sie zum Abend darauf ansprechen, wechseln sie gekonnt das Thema. ‚Verbergen' heißt bei uns in Waltons Mountain ‚Misstrauen'."
Karl ließ plötzlich den Kopf hängen und schnaubte. "Der Inhalt hat mir damals eine schöne Zukunft versprochen. Doch seit der Krise ist er mehr Schmach und unnötige Last."
"Sprechen Sie nicht in Rätseln."
"Na schön", lenkte er ein. "Ich erzähle es dir. Setzen wir uns", und deutete auf einen zusammengepressten Strohballen in der Ecke. Ich gesellte mich zu ihm. Das Frühstück hatte noch eine Stunde Zeit.
Somit berichtete er mir von dem Inhalt; seine Stimme - anfangs von Schwärmerei geprägt - wurde immer trauriger. "Eines Tages gesellte sich nach kurzer Blüte in New-Orleans Jarles zu meiner Firma hinzu. Wir wurden gute Kollegen, unterstützten uns auch privat. Selbst als ich die Firma aufgeben musste und mit Muli loswanderte, begleitete er mich. Mit unseren Einnahmen lief es zwar schlechter als zuvor, aber wir hielten zusammen - scheinbar." Schließlich seufzte Karl. "Bis er sich immer wieder von unserer Reisekasse bediente. Da artete es zu Wortgefechten aus. Als er mit einem Messer drohte, verstieß ich ihn aus der Gruppe."
Ich riss die Augen auf. "Was …?"
"Er wollte nur ans Geld, die ganze Zeit schon. Ich hatte ihn öfters in der Firma dabei gesehen. Aber das waren nur ein paar lumpige Cents am Tag."
"Das haben Sie natürlich geduldet, bis 1 Cent immer wertvoller wurde."
"Richtig. Ein paar Wochen nach seinem ‚Rauswurf' - tauchte er nachts auf und klaute mir meine ganze Kasse: Mein Erspartes von sechs Monaten; alles weg! Die Krise wurde schlimmer, die Interessierten in den Dörfern und Städten immer rarer. Ich bin nicht mehr weit vom Ruin entfernt. Nur noch 24 Dollar habe ich. Und der Lötkolben für meine defekte Maschine kostet 7. Lange geht das nicht mehr so weiter." Ich merkte, wie er kurz vor einem Wutausbruch stand, umso mehr er sich in die Situation hineinsteigerte.
Ich klopfte ihn auf die bebende Schulter. "Glauben Sie nicht an das Schlimmste. Für uns reichen 100 Dollar beinahe ein Jahr. Außerdem können Sie ja noch eine Weile bei uns helfen und sparen." Zögernd überfiel mich die Neugier. "Haben Sie bis jetzt überhaupt einmal auf einem Hof gearbeitet?"
Karl begann grimmig zu grinsen. "Auf einem. Die Besitzer haben mich nach zwei Nächten verjagt. Konnten mit mir nichts anfangen."
"Ihnen fehlt nur eine ordentliche Einweisung." Ich erhob mich mit neuem Enthusiasmus. "Ich soll Ihnen von Daddy aus zeigen, wie man die Ställe ausmistet. Dann haben Sie Ihren Tagessoll getan."
Karl erhob sich ebenfalls, etwas müde.
Nachdem wir die Kuh und das Muli auf die Weide getrieben haben, schafften wir Mistgabel und Schubkarren herbei. Ich drückte ihm die Gabel prompt in die Hand. "‚Lass es mich tun und ich begreife', hat einmal ein deutscher Schriftsteller gesagt."
Während er den süß-dampfenden und madigen Mist auf die Karre schaufelte, weiß ich ihm geduldig, was er verbessern könnte; zeigte ihm den Kompost mit einer freien Saat-Ecke für den guten Dung und sagte im Stall noch einmal. "Zerstechen Sie nicht die Abdeckplane über dem Holz, und immer viel auf die Karrenspitze. So fährt die Karre fast von allein. Überschätzen Sie die Wucht bei einem Sturz nicht." Ich lachte sarkastisch. "Danach braucht nicht nur der Boden eine Reinigung."
Karl schüttelte leicht grinsend den Kopf. "Danke, dass deine Familie und du so viel Geduld mit mir habt. Solche Menschen trifft man selten, junger John."
Ich klopfte ihm nur drängelnd auf die Schulter. "Jetzt aber an den Frühstückstisch. Mich wundert, dass Mama uns noch nicht gerufen hat."
Keine Minute später saßen wir neben den anderen. Kaum jemand sagte ein Wort, außer Daddy, der nach Karls Einweisung fragte. Ab und zu fiel ein scheuer Blick auf unseren Besucher.
Ich machte mir nichts daraus; der Tag hat gut begonnen.

Am frühen Nachmittag stampfte Sam von der Gemeinde zurück auf ihr Grundstück. Wütend knallte er Türen und Schuppen, sogar das Scheunentor auf und zu, bis er Karl auf der Kuhweide ausfindig machte. Dieser hatte, vom Mist bekleckert, sodass man kaum noch helle Flecken auf seinen Klamotten ausmachte, Chance an den Zaun gebunden. Jedes Mal, wenn er die Euterspitzen packen wollte, trat sie zur Seite. Sie trat immer zur Seite, wenn er sie erneut versuchte, anzuzapfen. "Was mache ich falsch?"
"Eine Menge, Casaborn", fuhr Sam ihn an, während er an der leeren, umgekippten Karre in das Gatter stieg. "Haben wir denn nicht genug Milch im Haus? Binden Sie das Tier los, bevor es Ihnen ‚vor mir' einen Tritt gibt."
Während Karl herzflatternd tat, wie geheißen, senkte er den Kopf. "Ich wollte nur probieren, wie selbst gezapfte Milch schmeckt. Außerdem schmerzt neben Hüfte jetzt auch Kreuz und rechter Oberarm. Höllisch", wobei er seinen Nacken massierte.
"Ihnen tut gleich noch viel mehr weh, dass Sie sich wünschen, nie in Waltons Mountain aufgetaucht zu sein."
Karl beäugte die an ihm vorbei fressende Kuh. "Wegen dieses Ausrutschers?"
"Das ist egal. Erst ziehen Sie meinen jüngsten Enkeln die Ohren lang und jetzt erfahre ich von den Baldwins, wie Sie ihren Vater in den Dreck gezogen haben. Nur mit Mühe gaben sie mir ein Glas ihres Rezepts, so aufgelöst waren sie!"
"Wohl eher vom ‚Schnaps'?", fuhr Karl ihn ebenso barsch an. "Der so hochgeschätzte Papa dieser Damen war ein Malträtier unter den damaligen Soldaten. Oft genug hat er meinen Vater und seine Kameraden auspeitschen lassen oder mit dem Gewehr gedroht. Jeder Soldat verschwand angeblich schnellst möglich, wenn der Name ‚Baldwin' fiel. Kannten Sie ihn?"
"Allerdings." Sam versuchte sich wenigstens mit der Stimme zu beruhigen. "Und ich habe ihn als ehrenwerten und hilfsbereiten Mann in Erinnerung. Kennen Sie denn seinen Vornamen?"
Karl überlegte kurz und sagte zögernd. "Käpten … Matter Baldwin."
Sam runzelte die Stirn, der Name schien derselbe. "Er hieß Käpten Matthew. Und Sie wollten die Baldwins wirklich nicht ‚zu Unrecht' beleidigen?"
"Unrechtens?! Was dieser Mann getan hat, ‚das' war unrechtens. Ich musste meinen Frust auf die Armee endlich Luft machen, wenn diese beiden pompösen Baldwin-Töchter einem Casaborn schon mal über den Weg laufen."
Sams Wut versank immer mehr. "Sagen Sie mir, wo er denn gedient hat."
"Bei meinem Vater von April bis November 1862 an der Balls-Bluff -Front."
"Das Einsatzgebiet stimmt, soweit ich weiß. Ich versuche mal, etwas in der Baldwin-Geschichte zu stöbern. Vielleicht gibt es etwas, was die Damen gnädig stimmt."
Dann wollte gerade wieder aufbrechen. Karl bereits den Rücken gekehrt, meinte dieser: "Daran glaube ich zwar nicht, aber viel Glück." Jetzt stand die Beziehung zu den Waltons vor der Kippe. Er musste ‚sie' erst einmal gnädig stimmen, bevor man ihn wie einst verjagen würde. Da fiel es ihm ein: "Es tut mir untertänigst Leid, dass ich Ihren Enkeln wehgetan habe. Wenn jemand an meinem Wagen hantiert, werde ich rasend. Verzeihen Sie mir wenigstens in diesem Missgeschick?"
"Was ist in dem Wagen denn so wertvolles, dass Sie ihn sogar mit Riegeln absichern?"
Karl wank eine ihn umkreisende Fliege weg. "Zwei Maschinen aus meiner alten Firma, und mein Lebensunterhalt. Mehr will ich nicht verraten."
"Entschuldigung -", wobei Sam den Finger hob, "- nur zum Teil angenommen. Ich habe Sie in Zukunft im Auge." Sam drehte sich plötzlich wieder um. "Ach … bevor ich es vergesse: Der Lötkolben ist bei Ike eingetroffen. Wenn ich Sie wäre, würde ich mich jedoch nicht in den Ort trauen, bevor ich Licht in Ihre Beschuldigung gebracht habe."
Karl knirschte leicht mit den Zähnen. In so kurzem Zeitraum konnte man sich also in einer ganzen Gemeinde unbeliebt machen. Wie kam er da bloß heraus?
"Nun beenden Sie Ihre Arbeit, bevor es dunkel wird", rief der abgewendete Sam mit schwenkendem Strohhut.
Karl guckte ihm planlos hinterher. Hoffentlich gewährte Olivia ihm wenigstens noch Unterschlupf.
Bevor Sam sich wieder zu den Baldwins begab, sah er kurz in den Stall. Und trat erstaunt hinein, wobei er leise pfiff. "In der Stadtelster steckt ja doch einiges." Vor sich waren die entkeimten Stallungen neu hergerichtet und mit Stroh bedeckt. "Nicht schlecht, Casaborn." So kehrte er der Scheune grinsend den Rücken. Vor ihm lag eine Menge Arbeit.

Am nächsten Morgen dann hatte John nicht mit dem Ausliefern von Holz zu tun, sondern sogar einen neuen Auftrag bekommen: 200 geschnittene Bohlen in zwei Tagen. Dafür musste neben Sam - der den gestrigen Abend nur mit Pergament-Geraschel das Radioprogramm begleitete - auch Karl mit ran. Der aber stöhnte bei jedem Schritt zur Sägemühle: ‚Das Mistheben hat meiner Leiste nicht gerade gut getan. Ich muss mich schonen.' Doch traute er seinen Gedanken keinen freien Ausspruch. Auch das Stöhnen interessierte die zwei vorangehenden Waltons nicht. Sam schien über etwas ganz anderes nachzugrübeln, bis er Karl in der Mühle eine Schürze samt Handschuhe reichte. "Ich habe eine sehr interessante Neuigkeit in Ihrer Geschichte entdeckt."
Der fuhr erschrocken auf. "Was meinen Sie?"
"Die Sache mit Käpten Baldwin. Den Rest besprechen wir nachher."
Kaum brachte Karl Einwände, pfiff die Kreissäge neben ihm auf. Er wich zurück. Das Quietschen drang zu einem ohrenbetäubenden Kreischen an.
Karl schluckte, als er John durch den Lärm schreien hörte: "So. Schieben wir die Baumstümpfe mal durch. Karl - Sie nehmen hinten ab und schieben sie stapelweise auf diese Ablage hier", wobei er hinter den Tisch auf eine rollbare Palette, die mit Keilen gegen das Wegfahren fixiert war.
Während Karl nickte und sich hinten aufstellte, hievten die beiden einen rindigen Stumpf auf den Tisch. Er war drei Meter lang! Ziemlich dick, und nur einer von vielen! Karl wölbte sich neben dem Lärm der Magen.
Die Kreissäge kreischte noch lauter, als sie sich durchs Holz biss. Regelrecht beißend, wie ein aggressiver Wolf.
Rinde und Späne flogen Karl plötzlich ins Gesicht, dass er zur Seite sprang. Die Handschuhe rasch übergezogen, packte er den einseitig beschneidenden Stamm hinter der Säge und zog ihn schwerfällig zu Ablage.
Kaum hatte John den Stamm ganz durch die Säge geschoben, schnippte das Ende nach oben, verkeilte sich beinahe, da Karl ihn rasch hinab ‚werfen' wollte. "Sachte!", schrie er Karl zu, während er den Stamm gänzlich auf die Palette schob.
Der drehte sich schmerzüberzogen herum und griff dabei beinahe in den hinteren Riemen. Dabei wurde ihm leicht schwarz vor Augen, verlor das Gleichgewicht. Und fiel hintenüber auf die Palette; roch verkohltes Holz.
John stellte fahrig die Maschine ab. Das Heulen wurde durch einen Schrei ersetzt: "Sind Sie wahnsinnig! Diese Säge ist kein Spielzeug!"
"Das sehe ich", meinte Karl schwitzend.
"Da muss man mit Vorsicht ran; nicht mit zwei linken Händen!"
"Wie bitte?"
"Ja, genau." Langsam riss John die Geduld. "Man darf Sie nichts machen lassen, ohne Sie an der Hand zu halten. Was können Sie überhaupt, als Filme einzulegen oder Schrauben drehen?!"
"Ich bitte doch …" Karl war entsetzt, sah hilfesuchend zu Sam, der John bereits etwas sagen wollte.
"Unterbrich' mich nicht, Dad." John wurde noch fahriger. "Wenn man schon eine Arbeit annimmt, sollte man sich ihrer auch bewusst sein! Ansonsten schadet man auch dem Bauern. Hätten Sie in die Maschine gefasst, wären Sie nicht nur verstümmelt worden! Wir hätten auch die Säge reparieren müssen. Wissen Sie, wie viel das kostet?!"
Karl zog sich ehrfürchtig an der Palette nach hinten. John schien ihm riesiger und bedrohlicher denn je. Ein Zerren ließ ihn auffahren: "Mein Rücken."
"Ach, Ihr Rücken! Die mageren Muskeln müssen bloß öfter belastet werden! Die sind eingeschlafen, genau wie Sie. Man muss Sie wochenlang mit solcher Arbeit", und zeigte auf die Stämme, "quälen, dass sie merken, wie gut das Ihnen tut!"
"Jetzt ist aber genug, John", meinte Sam.
John aber wirbelte herum. "Nein, ist es nicht. Wir geben diesem Mann immer mehr als die übliche Essensration. Und er dankt es uns mit Dummheit, und versohlt unsere Kinder."
"Mit den Kindern, da hat er sich gestern Abend doch am ganzen Tisch noch einmal entschuldigt. Den Stall hat er auch ordentlich gesäubert."
"Einen Stall einstreuen ist Nebenarbeit." John blickte verstohlen zu Karl, der sich etwas zurückgezogen erhob. "Gehen Sie zu meiner Frau. Vielleicht hat sie etwas zu tun. Damenarbeit steht Ihnen besser."
Karl lief rot an. Nicht vor Angst. Wütend stürmte er an den beiden vorbei und warf Schürze und Handschuhe in die Ecke.
"Erfüll' deinen Auftrag", grimmte Sam, "ohne mich", und eilte Karl hinterher. "Warten Sie. Wir haben noch jemandem einen Besuch abzustatten."
"Aber Vater." Sich von seiner Raserei erholend, beäugte John die Stämme. Hatte er es übertrieben?

In die Lehne des Wagens gedrückt, klang der Rückenschmerz pulsierend ab. Auch Karls Wut. "Ist er immer so herablassend, wenn ihm was nicht passt?"
Sam am Steuer schüttelte den Kopf und nickte wieder - mit sich selbst im Unklaren: "Eigentlich nicht. Ich denke mir, dass die Hitzewelle und die Arbeit der letzten Zeit ihm zu schaffen macht. Jetzt noch dieser Auftrag …" Dann zuckte er mit den Schultern. "Er ist selbst schuld, wenn er sich derart mit Arbeit zubaut."
Als sie die prächtige Villen-Einfahrt der Baldwins passierten, wurde Karl übel: Soviel Glanz hätte er sich nicht in zehn Leben leisten können, noch wollen. "Was haben Sie eigentlich vor? Nehmen Sie nicht an, dass ich Unrechtens bei diesen Damen um Verzeihung bitte."
"Abwarten", flüsterte Sam mit leicht warnender Stimme. "Sie bleiben hinter mir und seien ruhig. Nur wenn Sie nach etwas von damals gefragt werden, antworten Sie - dezent", wobei er den Finger hob und den Motor abschaltete. "Alles verstanden, Karl?"
Er nickte nur und stieg mit Sam und einem Magengrummeln aus.
Mehrmals an der Tür geläutet, öffnete endlich - und zögerlich - Mamie Baldwin die Pforte. "Welch häufiger Besuch - Herr Walton", strahlte Sie. Als sie jedoch den Fremden hinter ihm sah, erbleichte sie. "Was hat dieser … ignorante Mann hier zu suchen?"
"Seien Sie still, Casaborn", ermahnte Sam den auffahrenden Karl und wandte sich sogleich wieder an Mamie. "Ich habe etwas über die damaligen Anschuldigungen herausgefunden. Das wird allen hoffentlich einen Stein vom Herzen nehmen."
"Erzählen Sie schon, bevor meine Schwester erfährt, dass dieser Schwätzer auf unserem Grundstück steht."
Sam packte ein Papierbündel aus der Hosentasche. "Hier drinnen steht, dass Ihr Vater - Gott habe ihn gnädig - als Offizier an der Balls-Bluff-Front gedient hat. Erinnern Sie sich an den Zeitraum, Miss Mamy?"
Diese überlegte angestrengt. "Es muss mir entfallen sein. Schande über mich."
Sam wedelte mit dem Papierbündel. "Von 1860 bis 1862. Und nicht über den April hinaus."
"Das stimmt doch nicht", murmelte Karl irritiert.
"Lassen Sie mich ausreden: Zu seinem Rücktritt wurde dann Käpten Matthew Baldwin - sein Cousin vom Nebenlager - für ihn ersetzt. Man hatte wohl gehofft, er sei auch aus dem Holz Ihres Vaters." Sam wandte sich an Karl, dem langsam der Unterkiefer hinab sank. "Der Vater unseres Herrn Casaborn hatte das Glück regelrecht verpasst, als er von April bis November 1862 in sein Reglement gestellt wurde. Der Cousin wurde - wenn es Sie beide beruhigt - einige Jahre später wegen illegalen Schnapsbrennens in den Kerker gesteckt und nahm sich schließlich darin das Leben."
"Und das ist alles wahr?", begann Karl plötzlich zu lächeln.
"Es steht alles in der Familiengeschichte. Jetzt sind Sie an der Reihe." Er drehte sich zu Mamie, die selig lächelnd die Hand auf ihre Brust legte. "Wenn Sie uns einlassen würden?"
"Schwester wird es freuen, von dem Missverständnis zu erfahren. Sie ist schon seit Tagen in sich eingesunken." Stolz trat Sie ins Haus zurück. "Kommen Sie."
Karl betrachtete beim Durchqueren der Korridore den Glanz, der nun auf seine Seele wärmend wirkte. Dazu betrachtete er sich die Bilder von ‚Papa' Baldwin. Nach kurzem Zögern war er sich sicher, dass ‚dieser' nicht der Offizier war, den er auf den Gruppenfotos seines Vaters gesehen hatte.
Mamie stand bereits bei Miss Emily - die in einem Wohnstubensessel und mit nassem Lappen auf der Stirn - der Berichtigung der Umstände von ihrer Schwester lauschte.
Rasch wandte sich Karl zu ihnen, bevor die Damen widersprechen konnten. "Ich möchte mich in allerhöchster Form bei Ihnen entschuldigen. Mein Auftritt war erniedrigend und blamierend zugleich. Ich habe die Kontrolle über mich verloren; so sicher war ich mir. Und jetzt …", er ließ den Kopf hängen, "plagen mich Schuldgefühle Ihres Erbes. Kann ich mich in irgendeiner Form erkenntlich zeigen?"
"Da wird ‚Ihnen' hoffentlich etwas einfallen, solange Sie hier in Waltons Mountain verweilen", meinte Miss Emily.
"Heißt das, Sie nehmen meine Entschuldigung an?"
Nach längerem Zögern stimmten sie dem zu.
So verging der Nachmittag wie im Fluge, während sie redeten und sogar ‚Papas Rezept' probierten. Am Ende machten sie sich sogar gegenseitig Komplimente.
Nachdem sich Sam und Karl verabschiedet hatten, hielten Sie noch einmal bei Ike. Kaum die Umstände wieder aufgeklärt, legte Karl - schweren Herzens - die 7 Dollar für den Lötkolben hin. Die Reparatur konnte endlich beginnen.

"Schneiden wir doch die Plane auf", meinte Jason, während Jim-Bob, Elizabeth und Ben nach Schwachstellen an Karls Wagen suchten. Der Esel hinter ihnen gab ein kurzes "I-ah" von sich.
Ben rief schockiert: "Das würde er sofort merken. Nein." Er deutete zu den Rädern. "Unter dem Wagen sind Schrauben, die man öffnen kann. Dann brauchen wir nur noch die Wände abziehen."
"Und wissen, was dieser Karl verbirgt", grinste Jim Bob. Elizabeth zuckte die Schultern, auf denen ihr offenes, rot-schimmerndes Haar lag. "Was machen wir dann?"
"Wenn es gefährlich aussieht", meinte Ben, "berichten wir Daddy davon. Der wird schon wissen, was …"
Ein Motor dröhnte plötzlich auf den Hof zu, hielt vor der Scheune. Darauf vernahmen die Kinder das Lachen Großvaters und Karls, sowie dessen Stimme: "Ich lasse mich lieber vorerst nicht bei John sehen. Bis nachher." Rasch sprangen sie hinter die Strohballen, duckten sich und beobachteten.
Karl betrat mit einem kleinen Paket im Arm die Scheune. Er streichelte liebkosend seinen daliegenden Esel. "Na mein Freund. Ich hoffe, dein Bein erholt sich gut. Tut mir Leid, dass ich dich so belastet habe." Nach einem erwidernden "Ih-a" hielt Karl geradewegs auf seinen kleinen Wagen zu. Er schien unversehrt. Jedenfalls von außen.
Rasch zog er aus seiner Hosentasche ein klapperndes Schlüsselbund hervor. Kurz meinte er, ein "Ohh" zu hören, doch schob er es auf die am Dach züngelnden Wind zu.
So öffnete er endlich die Schnallen, sämtliche Schlösser, warf die Plane beiseite und klappte zudem die Wände des Wagens nach unten. Zum Vorschein kamen zwei seitlich liegende Maschinen, mit je zwei großen, runden Rollenhaltern - für Kinofilme, und je einem großen Objektiv. Viele große, verpackte Blechdosen legte er neben den Wagen, um Platz darauf zu haben. Die Schrift auf den Dosen verdeckte er ganz heimlich. Überall sah man Kabel und einige Kästen mit vielen Schaltern und Lämpchen daran.
Karl richtete das Prachtstück auf den Wagen auf, hielt aber inne, als er innen wieder etwas hörte. Kopfschüttelnd stellte er beide Geräte vollends auf. ‚War wohl doch ein Glas zu viel.' Dann steckte er den Lötkolben aus der Verpackung an, stellte ihn samt des Zinns und der Lösung auf den Wagen.
Während der Kolben sich erhitzte, suchte er den Fehler im defekten Transport-Mechanismus, den er erst einmal aufschrauben musste. Es musste ein Kabel locker sein. Oder es ist eine Platine gebrochen. Andere Möglichkeiten waren ausgeschlossen, da Karl jede ausprobiert hatte.
Nach einer gedehnten halben Stunde des Aufschraubends, der Kontrolle und des Widerverschließens der Fächer, schrie Karl lauthals auf: "Heureka!" Die geduckten Kinder waren fast zusammengefahren, hielt Jason nicht den Finger vor die Lippen. "Haben wir dich, du Bengel", rief Karl, während er etwas aus der Maschine heraus löste. Es war eine Platine mit Bauteilen, von der eine Ecke fehlte. Diese hielt er auch einige Herzschläge später in den Händen, wog beide Teile und guckte sie grimmig an. "Wenn hier mehr kaputt ist, kann ich mir gleich einen neuen Projektor besorgen." Er begab sich zum bereits dampfenden Lötkolben.
Da überkam Ben die Neugier, um genauer die Reparatur zu verfolgen, und raschelte am Stroh. Karl fuhr erschrocken auf, ließ den Kolben fallen und sah Ben. "Teufel", und erblickte auch Jasons Haar und Elizabeths Fuß hinter dem Strohballen hervor lugen. "Was habt ihr hier zu …" Da hörte er den wegrollenden Kolben von der hinteren Ablage auf den Heuboden fallen. Ein Halm entzündete sich, dann immer mehr. Karl versuchte das Feuer auszutreten. Doch züngelte es sich unkontrolliert weiter. "Verflucht!" Karl trat immer hektischer auf die Glutnester.
Die Kinder aber sprangen auf und rannten schreiend aus der Scheune. Keine Minute später stürmte John aus dem Haus, erschrak und weitete die Augen.
Karl dagegen packte seinen Esel und den Wagen und zog ihn zum Ausgang. Holpernd schaffte er es aus dem stickigen Rauch. Die Flammen züngelten immer höher übers Gebälk. Neben seinem Hustenanfall hörte er nur verzerrt die aufgeregten Stimmen der Familie Walton, die wie aufgescheuchte Hühner aus dem Haus hinaus und hinein rannten: "Wir brauchen Wasser!", "Feuer!", "Wer?!", "Schnell, beeilt euch!" Sprünge, Schreie, klappernde Wassereimer … all das vermischte sich in Karls Ohren zu einem Wirrwarr. Er begriff nicht einmal, dass John ‚ihn' plötzlich anschrie. "Packen Sie an, Mann!"
Doch Karl sah auf seinen Wagen hinter sich: "Wo hab' ich sie hin?" Wieder eingeatmet, wurde ihm schwummrig. ‚Da!' Auf dem brennenden Scheunenboden lagen die Filmrollen, noch unversehrt!
Auf den Weg dorthin, brach er zusammen. Hitze machte plötzlich einer verheißungsvollen Kälte Platz. Das Knistern verstummte, die züngelnden Flammen wurden grell-weiß. Ein Druck presste sich an seine Schultern. Als würde man ihn in die Hölle ziehen.
Doch bekam er plötzlich wieder Luft. Seine Sinne schärften sich, und er sah die ganze Familie, wie sie die Scheune weiterhin zu löschen versuchte!
John ließ in barsch zu Boden fallen und bluffte Karl an: "Was haben Sie da drin angestellt?!"
"Habe … ein defektes Teil gelötet. Da haben Ihre Kinder mich erschrocken, und der Kolben ist hinab gefallen."
"Solche Arbeit macht man im Schuppen! Sie bringen nur Ärger!"
"Kann ich irgendwie helfen?" Karl wollte sich erheben, im Tatendrang dieses Desaster zu beenden und seine Rollen zu retten.
"Verschwinden Sie! So können Sie und helfen. Packen Sie Ihren Kram und rollen Sie dahin, wo Sie keinen Schaden mehr anrichten."
"Aber …"
"Los, oder soll ich Sie erst mit einer Gabel vertreiben?"
Schier aufgelöst trafen Karl erste Regentropfen im Gesicht. Hatte er wirklich so viel Ärger verursacht?"
Ein Blick zur Scheune, auf die nun auch John zu rannte, genügte ihm als Antwort. So setzte der Regen ein, der Schauer der Verzweiflung, der Planlosigkeit und das Gewitter, das seinen Lebensweg zerschneiden sollte.
Aufgelöst schloss er den Wagen wieder, stülpte die Plane über seinen gänzlich zerflossenen Traum und blickte zu seinem treuen Esel, der mit bandagierten Bein im Sand danebenlag. Schwach klopfte er ihm auf den Rücken. Darauf holte er eine handgroße Holzbox aus seinem Wagen und stellte ihn auf den Boden. "Den Kasten können Sie behalten. Vielleicht reicht er als Entschädigung." So zog der Esel kraftvoll den Wagen, mit der geretteten Maschine und Karl von dannen. Umzudrehen wagte er sich nicht mehr. Die Schuldgefühle seiner Taten würden ihn bloß noch mehr zerreißen. "Danke für alles", und brach in Tränen aus. Er würde nie wieder jemand so ausnutzen wollen. Nie wieder!

Innerhalb weniger Minuten und der Hilfe des einsetzenden Regens hatten wir die Flammen rasch eingedämmt. Pustend traten wir in den erstickenden Rauch.
Neben einigem Heu, angebrannten Strohballen und leicht angekohlten Balken, war der Großteil der Heuernte heil geblieben, da sie auf der anderen Seite der Scheune lag. Neben einem leicht verkohlten Tisch entdeckte ich circa zwanzig große Blechdosen. Von was stammten die denn?
Als ich sie genauer inspizieren wollte, begriff ich, dass Karl diese gehörten. Eins hob ich auf, und zog verwundert an einem Filmrollen-Ende! Doch war - trotz meiner Faszination über die aneinander gereihten Dias - der Rand angeschmolzen. Das würde Karl gar nicht freuen.
Kurz noch einmal die - mit Hüllen verpackten - Filmrollen betrachtet, schritt ich damit zu Daddy. "Hast du Karl gesehen?"
Der verzog grimmig das Gesicht, machte eine wegwerfende Handbewegung. "Dieser veruntreute Brandstifter?! Ich habe ihn fortgeschickt."
"Fort?" Ich stutzte. "Wohin denn?"
"Das ist nicht mehr unser Problem. Soll sich jemand anderes mit ihm rumärgern."
Damit quoll in mir die Wut auf. "Warum hast du das getan?"
"Wäre es dir lieb, wenn ein Streuner deinen Hof in Brand steckt?! Du musst noch viel lernen, John-Boy. Solche Menschen sollte man gar nicht mehr ins Haus lassen! Auch wenn sich die Sache mit den Baldwins erledigt hat."
Da wurde Großvater hellhörig und trat auf uns zu. "Wie ist dieses Feuer eigentlich entstanden? Weiß das zufällig jemand?"
"Casaborn hat angeblich den Lötkolben fallen lassen."
"Und du hast ihn gleich fortgejagt?" Großvater wusste die Antwort ja eh schon. "Was ist denn nur in letzter Zeit in dich gefahren, Sohn?!"
Bevor Daddy zurück schreien konnte, wagte sich Ben aus der Gruppe zu uns, strich mit dem Fuß über den Sand und betrachtete scheinbar starr den Boden. "Äh, Pa. Das mit dem Brand war nicht nur Herrn Casaborn's Schuld." Wir wurden hellhörig. "Elizabeth, Jason, Jim-Bob und ich haben uns versteckt, als er hereinkam. Während er gelötet hat, habe ich geraschelt. Er ist erschrocken und hat den Kolben fallen lassen."
Daddys Blick wurde noch etwas feuriger. "Was habt ihr denn vorher in der Scheune gemacht?"
Statt Ben antwortete Großvater: "Na, was wohl. Ihr wolltet seinen Wagen heimlich öffnen."
"Eure Neugier hat also dieses Inferno ausgelöst?!", rief Daddy plötzlich und wollte Ben packen.
Stellte sich nicht Mama dazwischen. "John Walton. Was ist in letzter Zeit los mit dir? Seit du dich jeden Tag mit Arbeit zubaust, geht den Herz ein. Wir erkennen dich kaum wieder."
Daddy stutzte nur und blickte hilfesuchend in die Gesichter der anderen. Doch die stimmten Mama mit einem leichten Nicken oder Zurückhaltung zu. Daddy begann zu stottern. "Seit dieser Mann aufgetaucht ist, und uns unsere harte Arbeit fast ruiniert hat …"
"Er ist ein Mann der Stadt", funkte Großvater dazwischen. "Ihm hat bloß immer die richtige Einweisung gefehlt. Am Ende konnte man ihn sogar bei der Heuwende an die Spitze stellen."
"Du hast doch gesehen, wie er heute beim Sägen fast in den Riemen gefasst hätte?! Und dieses Gejammer."
"Muskeln, die schon lang nicht mehr belastet wurden", meinte Großvater.
Nun fiel auch ich ins Wort, hob eine der verpackten Filmdosen. "Oder willst du mal einen Film in seine Maschine legen, sodass es auf Anhieb funktioniert?"
Da wurde Daddys verkrampftes Gesicht wieder weich. "Na gut, ihr habt Recht. Ich weiß nicht, was in letzter Zeit über mich gekommen ist. Wisst ihr was: Ich lasse den Auftrag mit den 200 Holzbohlen sausen. Den Termin können wir eh nicht einhalten."
"Dem stimme ich mit Vernunft zu", nickte Großvater.
"Und was ist jetzt mit Karl und den Filmen?", fragte ich drängelnd.
Wir müssen ihn eben einholen." Großvater schritt bereits zum Auto. "Komisch, er hat diesen Kasten hier gelassen. Aber sein Wagen samt Esel ist weg. In welche Richtung ist er?"
John eilte ihm nach. "Richtung Westen."
"Wartet." Ich packte die schweren Filmrollen einzeln auf den Rücksitz. "Wenn er sich doch nicht überreden lässt, gebe ich sie ihm besser zurück."
So quetschten wir uns zu dritt in den Wagen und rasten durch die Pfützen der Straße.

Er fällte seinen Entschluss, als er sich an einem Bach vorbei zog. Trotz des kurzen Schauers, war dieser zu einem reißend-tiefen Fluss angeschwollen und trat über die Ufer.
Erst wollte Karl den Wagen samt Maschine hinein werfen. Ohne die Filme, die er in jeder Gemeinde als Standard spielte und gut ankamen, war seine Karriere nun nutzlos. Für diese Filmrollen bekam er eine neue Maschine! Er konnte sich nicht einmal die leisten. Und ohne Lötkolben … Er hörte auf, nachzudenken.
Den Esel hatte er an einen Ast angebunden. Nun hockte er gebeugt an dem Projektorwagen am reißenden Bach. Um sein Bein ein Stück Strick gewickelt, das andere Ende mit dem Wagen befestigt! Er brauchte nur einmal stoßen und die Höllenmaschine fiel samt ihn ins Wasser. Er würde ertrinken, sie verrosten. Er wollte die Menschen nicht weiterhin in den Wahnsinn, gar in den Ruin treiben, wie die Waltons soeben. Sie hatten ihn gastfreundlich und am Familienleben integriert. Seine Tollpatschigkeit hat sie in Verruf gebracht. Mit diesem Leben, das nichtsnutziger und perspektivloser, sowie deprimierender nicht sein konnte, sollte es nun zu Ende sein. Die Menschen würden jubeln, ihm nie zu begegnen.
Er setzte seine Hände zum Stoß an. Der erste genügte nicht, um den schweren Wagen zum Rutschen zu bringen. Bevor er den zweiten ausübte, quietschten Reifen hinter ihm. Das Auto hielt, Türen wurden aufgerissen, und Sam rief schockiert. "Tun Sie das nicht, Karl!"
"Und warum nicht?", hauchte er uns aufgelöst und mit leerem Blick zurück. "Ich habe mit meinen linken Händen nur Schaden zugefügt. Selbst wenn Sie mich dem Sheriff ausliefern, würde ich nur unnötige Gelder kosten." Er wollte wieder zum Schieben ansetzen.
"Jetzt reden Sie nicht schlecht über sich", sagte Daddy so warmherzig er konnte. Vielleicht drehte Karl sich so zu uns. "Es tut mir Leid, dass ich Ihnen gegenüber so überreizt reagiert habe. Ich vergaß, dass wir aus zwei unterschiedlichen Welten stammen. Und da gehört eben doch eine ordentliche Einleitung und Üben dazu. Ich würde Sie gern wieder in unser Haus aufnehmen, solang sie das wollen."
"Nach allem, was ich Ihnen angetan habe?" Karl runzelte die Stirn.
"Die Scheune ist gelöscht und der Schaden nicht groß", rief Großvater. "Kommen Sie schon. Es wird gleich dunkel."
"Wo ist der Haken?" Karl traute dem Frieden nicht so recht.
"Das ist nun mal unser Leben in Waltons Mountain", wandte ich ein. "Wir geben mehr als wir nehmen. Diese Mentalität fehlt so vielen. Aber noch ist es nicht zu spät, es Ihnen beizubringen." Eifrig hob ich die vielen verpackten Filmrollen aus dem Wagen. "Die sind von den Flammen verschont worden."
Karl klappte - seinen Augen nicht trauend - den Mund auf. Dann zog er den Wagen zu uns, betastete die Filmrollen im Auto. Dann grinste er mich erfreut an. "Du bist ein Goldjunge, John-Boy."
"Die erste Rolle war leider am Rand verschmolzen."
Karl schüttelte bloß den Kopf, als er die Größe der beiden anderen erkannte. "Das war eh nur Werbung." Er begann zu lachen. Auch wir stimmten mit ein.
Als unser Anfall langsam verstummte, klopfte Karl mir auf die Schulter und sah zu Daddy: "Dann … setze ich mich halt hinten auf den Wagen. Genug Strick zum Anseilen habe ich ja." Ich hingegen band den Esel vom Ast und ritt auf ihm nach Hause. Die Wunde war schon recht gut verheilt.
Hinter mir fuhren sachte die anderen wieder zurück. Angekommen, ließen wird den Abend gemütlich am Radio ausklingen. Ein erfrischender, mehrtägiger Regen wurde vorausgesagt. Das Leben konnte also wieder beginnen.

Am nächsten Morgen gelang es Karl und Ben, seine Maschine wieder zum Laufen zu bringen (Der Lötkolben hat den Brand überstanden). Danach teilte uns der Filmvorführer eine Idee mit: So hängten wir in der Gemeinde einige selbst gezeichnete Werbeplakate aus. Es war zwar schon Donnerstag, doch erschien am Sams- und Sonntag darauf fast die Hälfte der Bewohner vor unserer Scheune, und tuschelten gespannt. Selbst die Baldwin-Schwestern drängten sich an unsere improvisierte Kasse: "Wie viel beträgt denn der Eintritt für die Vorführung?", fragte Mamie mich.
"Zehn Cent, Miss Baldwin."
Miss Emily kramte bereits in ihrer Handtasche herum, als plötzlich Karl hinter ihnen hervortrat. "Nicht doch, nicht doch - Werte Damen. Für Sie ist der Eintritt frei."
"Oh", bemerkte Miss Mamie erschrocken. "Das ist zu viel der Güte."
"Vergessen Sie nicht: Ich habe versprochen, mich nach den ganzen Umständen bei Ihnen zu revangieren." Er deutete auf zwei Stühle in den besetzbaren Reihen der Freilicht-Bühne. An der Scheunenwand spannte sich eine weiße, 4 x 5-Meter breite Leinwand, die Karl noch in seinem Wagen eingewickelt mithatte. "Genießen Sie die Vorstellungen."
Nachdem sich die Damen widerstandslos und entzückt in die Mitte der Stuhlreihen platziert und die Dunkelheit an diesem trockenen Tag eingebrochen war, begann das leise Summen der Kinomaschine.
Obwohl die Gäste sich nur mit Brunnenwasser begnügten, hinterließ der erste Film tiefe Eindrücke. ,Moderne Zeiten' von ‚Charles Chaplin' zum Lachen und Nachdenken geprägt. Am Sonntag gab es noch eine doppelt so lange Vorstellung: ,Vom Winde verweht' mitunter mit ‚Vivien Leigh' eher etwas für die Tränendrüsen. Und was Karl natürlich nicht verriet, dass dies sein erster Farbfilm war, den er spielte.
Nach dem Ende der Vorführungen waren alle sehr begeistert. "Die Vorstellungen waren ihr Geld wert.", "Eine farbige Kinovorführung hatten wir noch nie gesehen", "Davon kannst du später noch deinen Kindern berichten", oder "So was erlebt man nicht alle Tage."
Obwohl an den beiden Tagen bis spät in die Nacht gespielt wurde, blieben am Ende sogar noch Leute, betrachteten die Apparatur und erzählten mit Karl, der freigiebig und genüsslich von seiner Arbeit, seiner düsteren Zukunftsprognose und auch von seinem Leben erzählte. Da stellte ich fest, dass er ein sehr geselliger Mensch, mit Freude und Charme im Herzen sein konnte.

Noch einige Tage arbeitete er bei uns, er begriff jede neue Tätigkeit immer schneller. Schließlich aber nahte das Arrivederci.
Es war früher Morgen. Die Sonne hatte noch nicht genug Kraft, um den frisch glitzernden Tau auf den Blättern zu verdunsten. So standen er - wieder umhüllt von seinen alten, gewaschenen Klamotten vor der Veranda. Hinter ihm warteten sein verschlossener Wagen und der genesene Esel. Und wir alle guckten ihn etwas wehmütig an.
"Kannst du nicht noch ein Stück bleiben?", quengelte Elizabeth von Großvaters Armen aus.
"Würde ich sehr gern, aber jeden Reisenden zieht es irgendwann weiter. Ohne Bewegung geht er ein, wie eine ungegossene Dahlie."
Da trat Daddy etwas verdrossen von der Veranda. "Ich will Ihnen danken, Karl. Sie haben gute Hilfe bei uns geleistet. Aber vor allen", und warf einen tiefen Blick zu uns, "haben Sie mir die Augen geöffnet. Ich habe mich vor Eifer selbst kaum wieder erkannt."
"Ist schon gut. Ich glaube, da haben wir uns gegenseitig etwas gegeben."
John drückte Karl den zum Scheunenbrand zurück gelassenen Holzkasten wieder in die Hand.
"Meine letzten Ersparnisse wollten Sie wohl nicht?"
John blickte ihn nur an. "Ich hatte nicht mal Zeit gehabt hinein zu sehen." Als Karl den Kasten öffnete, waren noch seine letzten 17 Dollar drin. Da kam Ben und Jason dazu und sie füllten den Kasten mit vielen kleinen Geldmünzen. Sogar ein paar Dollar-Noten waren dabei. Jason sagte nur: "Das sind die Einnahmen der letzten beiden Tage." Karl fiel das Kinn hinunter - sprachlos vor Dankbarkeit.
Plötzlich kramte Daddy etwas aus seiner hinteren Hosentasche und reichte es Karl.
"Was ist das?" Der nahm das Blatt zögernd entgegen. Darauf waren Zeichnungen von sich bewegenden Strichmännchen aufgedruckt.
"Für die morgendliche Gymnastik. Wenn Sie die jeden zweiten Tag machen, werden Sie keine Probleme mehr im Rücken bekommen, falls Sie später wieder auf einem Hof anpacken."
Karl beäugte interessiert die Übungen: "Schulterkreisen … Rumpfbeugen … Bein- und Lendenstreckung … Sogar mit Skizzen." Karl faltete das Papier sorgfältig und schob es behutsam in seine Brusttasche am Hemd. "Ich werde sie mir - wenn möglich - auch ‚jeden' Tag vornehmen. Körperliche Kräftigung stärkt auch die Innere. ‚Das' habe ich von Ihnen gelernt. Ich danke Ihnen - John Walton", und schwang die Hand in die Lüfte. "Ich danke euch allen!"
Kaum begannen wir zum Abschied zu winken und riefen "Viel Glück" und "Auf Widersehen", drehte er sich zurück winkend um und wanderte mit seinem Esel und den Wagen dahinter durch unsere Ausfahrt, über den sandigen Weg und nach dem nächsten Busch aus unserem Blickfeld. Noch lange verharrten wir demütig am Fleck, bis wir uns schweren Herzens wieder unserem Alltag zuwandten.

Nachwort

‚Oft noch dachte ich über Karl Casaborn nach. Ich begegnete ihm eines Tages - als ich in New York als Reporter begann - in einem Filmtheater wieder. Er hat sich neben einer kleinen Kinokette seine Rente auf einem eigenen Bauernhof aufgebaut, den er fleißig mit seiner neuen Gattin bewirtschaftete.
Trotzdem stimmt es mich demütig, dass durch den ganzen Fortschritt und der Schnelligkeit unserer Gesellschaft, immer auch mehr das Herz bei der Arbeit im Stress versinkt. So sehe ich immer weg, wenn eine Heuwende-Maschine am Traktor gespannt, auf der Wiese seine Runde dreht.'

Gute
Nacht
(Ben) "Wer von euch will Popcorn?"
(Elizabeth) "Was soll denn das sein?"
(Ben) "Heißer Mais, der zu gelbweißem, leckeren Schaum aufplatzt. Vielleicht baue ich mir dazu einen Apparat und verkaufe in Zukunft Popcorn."
(John-Boy) "Keine erstrebenwerte Zukunft, finde ich."
(Elizabeth) "Heute Nacht ist es wieder so heiß, bau doch lieber eine Regenmacheine!"
(Ben) "Wenn ich den Deckel meiner Maschine nicht schließe, springen die aufgeplatzten Körner alle durch die Gegend. Dann hast Du deine Regenmaschine."
(Elizabeth) "Regen der noch wunderbar schmeckt. Ja, mach das bitte, Ben!"
(Jason) "Genau. Träum' weiter. Gute Nacht, Ben."
(Ben) "Gute Nacht, alle miteinander."
Gäste Name in der SerieSchauspielerBemerkung
Karl CasabornKarl CasabornDer Stadtmensch brachte das Kino mit aus's Land
Ike Godsey Joe Conley Der Gemischtwarenhändler verkauft auch Waren aus dem Katalog
Mamie Baldwin Helen Kleeb Die beiden Schwestern erfahren neue Dinge von ihrem Papa.
Emily Baldwin Mary Jackson
Wort vom Autor

Diese Geschichte schrieb ich zum Anfang meiner Europawanderung im Jahr 2009. Das Schreiben - auch an einem Buchprojekt über Amsterdam hinaus - ließ meine Tagesanstrengungen gemütlich ausklingen und konnte wieder Kraft für den nächsten Tag sammeln.
Danny Fränkel

Bemerkung

Als Kinofilmvorführer wollte ich auch unbedingt mal eine Walton - Kinogeschichte schreiben. Ich hatte zwar einige Gedanken aber leider fehlte mir die Begabung selbst Geschichten zu entwerfen. D.F. erfüllte mir diesen Wunsch. Ich bedankte mich bei Danny Fränkel. Er sagte mir: "Schreib deine Geschichte weiter, das ist Dank genug." Dies verspreche ich hiermit Danny Fränkel vor all meinen Waltonfans: Es wird auch bald von Peter Lemmer eine Geschichte mit Peter und den Waltons geben. (Am 8. Mai 2014 erfüllt.)
Peter Lemmer