Das Leben von Earl Hamner
übersetzt aus dem Buch "Goodnight John-Boy"

Kapitel 1: Die Familie 1. Teil

Wir waren eine normale Landfamilie aus Virginia: Meine Mutter und mein Vater, meine vier Schwestern, meine drei Brüder und zwei Paare Großeltern. Ich war der älteste von 8 Kindern. Ich wurde am 10. Juli 1923 in Schuyler, Virginia geboren. Die Stadt liegt in Nelson County in dem Teil der Blue Ridge Mountains, die man die "Wilden Berge" nannte. Schuyler wurde in einem Reisebericht beschrieben als "ein kleiner Flecken, der sich samstags zu einer gedämpften Heiterkeit erhebt". Wenn der Betrachter beeindruckt war von unserer Ausgelassenheit am Samstagabend, dann hätte er auch bei einem unserer Gottesdienste anwesend sein müssen, auf dem wir für unsere Sünden in der Baptistenkirche büßten.

Menschen werden ihm erzählen, dass es eine Menge mehr Sünden in diesem Ort gab, als die letzten 50 Jahre. Ich erinnere mich daran, was Großmutter Giannini sagte, als ich sie über die Unterschiede ihrer und meiner Generation fragte: "Der einzige Unterschied ist der, dass die Leute heutzutage das, was wir im Verborgenen hinter dem Haus getan haben, auf der vorderen Veranda tun."
Als ich in Nelson County aufwuchs, schien es mir, und das tut es heute noch, als hätten wir ein ruhiges und gutes Leben.

Wir waren eine große Familie in einem kleinen, weißen, holzverschalten Haus. Das Haus gehörte der Firma, die die Specksteinmühle betrieb und durch die das Dorf entstanden ist. Als die Mühle schloss, bot sie die betriebseigenen Häuser zum Verkauf an. Mein Vater kaufte unseres für 500 Dollar.

Wir aßen an einem langen hölzernen Esstisch in der Küche, und ich erinnere mich heute noch an den Stolz meines Vaters, wenn er um den Tisch seine Söhne und Töchter erblickte. Wir waren dünn, weil wir sparen mussten. Einige von uns hatten Sommersprossen, andere nicht. Einige hatten die braunen Augen meines Vaters, einige hatten die grünen Augen meiner Mutter, aber jeder von uns hatte eine besondere Erscheinung und eine besondere Ausstrahlung. Das war es auch was mein Vater meinte, wenn er immer wieder sagte: "Jedes meiner Kinder ist ein reinrassiges Vollblut".
Es war die Zeit der großen Wirtschaftskrise und die Steinmühle, in der mein Vater als Maschinist arbeitete, schloss. Wir waren arm, aber niemand sagte es uns direkt. Alles was wir wussten war, dass wir nicht so viel Geld hatten. Mir wurde sogar vorgeworfen, die Wirtschaftskrise als glückliche Jahre empfunden zu haben. Es mag für Stadt-Menschen schwierig gewesen sein, aber wir waren Landbevölkerung mit den Vorteilen des Landes.

Ich nahm nicht wahr, dass wir arm waren. Wir waren zu beschäftigt mit den alltäglichen Dingen. Zuerst kam das Ende vom Winter und das Abschmelzen der Eiszapfen an den Dachrinnen. Dann der März und die Zeit auf den Witts Hügel zu klettern und Drachen steigen zu lassen, die wir aus braunem Einwickelpapier gebastelt hatten. Das Erscheinen von Krokussen, Schneeglöckchen und Forsythien sagte uns, dass der Frühling wieder da war.

Der Sommer kam wieder und mit ihm Dutzende von Cousins und Cousinen aus Richmond und Petersburg. Unsere Cousins waren anders in ihrem Stadtalltag. Sie rauchten Zigaretten und wussten Ausdrücke, die wir übernahmen und benutzten, wenn unsere Eltern uns nicht hören konnten. In der Dämmerung fingen wir Glühwürmchen und wenn es dunkel geworden war, saßen wir auf der vorderen Veranda und hörten unseren Großeltern bei Geistergeschichten zu.

Auch war es abends bei uns üblich, Radio zu hören. Die gesamte Familie hatte sich um das Radiogerät versammelt und hörte die "Einmannfamilie" oder Charlie McCarthy, der Edgar Bergen veräppelte oder die Lieder von Gene Autry. Zum Schluss fuhr der gesamte Clan, Mütter und Väter, Onkel und Tanten, Großeltern und Cousins zu Uncle Benny Tapscotts Farm in Buckingham County. Wir wurden mit gebratenem Hühnchen, selbst geräuchertem Schinken und Kartoffelsalat bewirtet und bekamen den süßesten Eistee, den wir je getrunken hatten. In der Dämmerung brachte jemand eine Gitarre und wir sangen Lieder, jung und alt zusammen. Gewöhnlich ging einer der Onkel nach Esmond und besuchte dort zwei ältere Damen, die Whiskey brannten (sie nannten es das Rezept) und einmal verteilten sie ihn. Das Ende war, dass die Onkels ihre betrunkenen Frauen und ihre Kinder in das Auto packen und nach Hause fahren mussten.

Unsere Eltern ernährten uns sehr naturbewusst. Mein Vater ging schon früh auf die Jagd und kam mit Hirsch, Reh oder Hase zurück, den meine Mutter mit einer braunen Soße zubereitete. Im Rockfish-Fluss gab es Barsch und Katzenfisch, alles zu jeder Jahreszeit. Wir hielten Schweine und manchmal kalbte eine Kuh. Ich bin sicherlich der einzige Schriftsteller in Hollywood, der weiß, wie man eine Kuh melkt, auch wenn ich dies nicht so häufig tat. Ich träumte von dem Tag, an dem mein Agent sagen wird: "Twentieth Century Fox (Filmgesellschaft, Anm. der Redaktion) sucht einen Schreiber, der Kühe melken kann".

Fortsetzung: Siehe nächste Seite!
Übersetztung: Mary Ellen - Mit freundlicher Genehmigung von Earl Hamner - 8. September 2010